"Arbeiten mit 67?"

NEUMARKT. Trotz Fußball kamen viele Zuhörer am Donnerstagabend zur Ortskartellversammlung des Neumarkter DGB. Regionsvorsitzende Willi Dürr sprach zum Thema "Arbeiten mit 67? Aber wie?"

Zu Beginn der Veranstaltung, die der Vorsitzende Mayer Michael in der Gaststätte Turnerheim eröffnete, gab er unter anderem einen kurzen Überblick über die Situation im Baubereich. Wegen der nach wie vor körperliche Anstrengungen sei ein Arbeiten bis 67 fast unmöglich, hieß es dabei. Drei Viertel der Beschäftigten wollten früher als mit 65 in Rente.

Die Aussichten von älkteren Arbeiters seien in vielen Berufen schlecht. In einigen Wirtschaftszweigen sei es nur sehr schwer möglich, das Rentenalter im Job zu erreichen - etwa in der Textil-, Bau- und Holzbranche. Generell lägen die Anteile Älterer in Branchen niedrig, in denen hohe körperliche Belastungen anfallen.

Trotz guter Konjunktur breite sich die Armut bei Menschen kurz vor dem Renteneintritt aus, hieß es bei der Veranstaltung. Im Januar 2008 waren 676.787 Männer und Frauen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Das sind 168.464 mehr als drei Jahre zuvor, was einem Anstieg um ein Drittel entspricht. Auch das wirtschaftlich erfolgreiche Jahr 2007 brachte eine Zunahme um 44.021 oder 7 Prozent.

Damit setze sich eine längerfristige Entwicklung fort. Das zeige eine Auswertung des DGB-Arbeitsmarktexperten Wilhelm Adamy. "In den ersten drei Jahren des Hartz-IV-Systems hat sich die Zahl der älteren Hilfebedürftigen um gut 215.000 beziehungsweise 22,7 Prozent erhöht", errechnete Adamy für die Gruppe der 50- bis 64-Jährigen. Der Anstieg sei "doppelt so stark wie bei den anderen Altersgruppen". Sein Fazit: "Das Verarmungsrisiko Älterer steigt auch bei guter Konjunktur." Daran hätten auch die neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumente der großen Koalition nichts ändern können.

Deshalb sei eine weitere Verlängerung der Altersteilzeit ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Dies unterstrich auch Referent Willi Dürr. Die Altersteilzeit habe enorm an Bedeutung gewonnen, aber ihre Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit laufe aus. Zwei Gutachten würden prüfen, wie auch danach flexible Übergänge in die Rente möglich sein können.

Altersteilzeit erleichtere vielen Beschäftigten den Wechsel in den Ruhestand. Etwa jeder siebte Neurentner verabschiedete sich 2005 auf diesem Weg aus dem Erwerbsleben. Das haben Martin Brussig und Sascha Wojtkowski vom Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) ermittelt. Mit zwei Rechtsgutachten für die Hans-Böckler-Stiftung wurde untersucht, welche Möglichkeiten es danach für einen flexiblen Ausklang aus dem Arbeitsleben geben kann - eine Frage, die angesichts der höheren Altersgrenze von künftig 67 Jahren noch bedeutender werde.

Der noch bis zum Ende der Dekade gültige Status Quo sehe so aus: Die verbleibende Arbeitszeit eines älteren Beschäftigten in Altersteilzeit halbiert sich. Er leistet sie entweder im Block - was das Gros macht - oder halbtags; die geförderte Phase kann sich über bis zu sechs Jahre erstrecken. Das vom Arbeitgeber zu zahlende Entgelt halbiert sich ebenfalls, kann aber aufgebessert werden:

Die Unternehmen würden schon jetzt Altersteilzeit vielfach ohne Zuschüsse anwenden. Von den gut einer Million Beschäftigten, die bis 2006 in Altersteilzeit gearbeitet haben, erhielten nur etwa 370.000 eine Förderung aus Nürnberg. Obwohl die Arbeitgeber nicht für eine Nachfolgeregelung im Sinne der Bundesagentur garantieren konnten, besserten sie selbst das Entgelt der Teilzeitkräfte auf - und zwar steuer- und abgabenfrei.

"Erforderlich ist jedoch, dass dafür die Rahmenbedingungen der Altersteilzeit unverändert bleiben", so Willi Dürr. Dazu zähle vor allem der Erhalt des Altersteilzeitgesetzes, das die Freistellungsphase mit unvermindertem Sozialversicherungsschutz ermögliche. Dürr empfiehlt zudem, die Aufstockungsbeträge auf Entgelt und Sozialbeiträge weiter steuer- und abgabenfrei zu lassen.
20.06.08
neumarktonline: "Arbeiten mit 67?"
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